Großmutter erzählt

 

Großmutter erinnert sich ...
Sehr aufgeregt war ich als Mutter bei jeder Prüfung der Sprösslinge, reagierte in der Pubertät verständnisvoll - so gut es ging - und litt mit bei Liebeskummer.
Krankheiten der Kinder ließen mich besorgt am Bett verweilen, Streiche erzürnten oder belustigten.
Es war eine Zeit der Höhen und Tiefen. Lachen löste Tränen und Traurigsein ab.
Oft sehr nachdenklich gestimmt, erinnert man sich an die eigene Jugend und schmunzelnd an eigene Streiche.

Wo ist Klein-Susi?

Das Töchterchen, vom Vater liebevoll Fips genannt, ist verschwunden. Mutter hatte die Wohnung gesaugt und eigentlich sollte das zweijährige Mädchen im Kinderzimmer spielen. Aber dort ist sie nicht! Die Mutter öffnet die Wohnungstür und ihre Stimme schallt durch das Treppenhaus bis ins Freie ... Nichts!
Das Haus liegt in einer Siedlung außerhalb der Kreisstadt und in der Dachwohnung lebt Susi mit ihren Eltern. Die Vermieter bewohnen den ebenerdigen Teil. Sie sind schon älter und Großeltern eines Jungen im selben Alter wie das Kind.

Nun macht Mutter sich ernsthaft Sorgen.
‚Vielleicht ist die Kleine im WC’, denkt sie. Aber nein ...

Der Garten hinterm Haus fällt ihr ein, der Blick aus dem Küchenfenster lässt sie nichts entdecken. Die schrecklichsten Bilder von Verkehrsunfällen, Entführungen oder dem Verirren malt sie sich aus. Nun hält sie nichts mehr und wie sie ist, in Schürze und mit zerzaustem Haar, raus aus der Wohnung, Haus und Garten durchsuchen. Susi ist nicht da! Auch das laute Rufen ihres Namens zeigt keinen Erfolg. Ein hastiger Blick auf die leere Straße und jetzt muss die Mutter sich einen Moment auf ein Mäuerchen neben dem Gehweg setzen.

Plötzlich fühlt sie eine Hand auf ihrer Schulter. Eine Nachbarin steht neben ihr.
„Susi ist bei meinen Kindern, hat die Kleine nichts gesagt, dass sie zu uns wollte?“ fragt die Frau.
‚Nein, hatte sie nicht’, denkt Mutter noch, ist aber trotzdem erleichtert.
Dann schießt ihr durch den Kopf: ‚Die Frau kenn ich doch' und erinnert sich, dass sie die Nachbarin und ihr kleines Mädchen am Spielplatz schon gesehen hat, der ein Stück weit entfernt ist. Oft sitzen die Muttis dort neben dem großen Wasserturm, den sie hin und wieder besteigen dürfen, wenn er gewartet wird. Sonst ist er verschlossen.
Die Kinder tummeln sich dort im riesengroßen Sandkasten und die Frauen erzählen. Manche haben ein Strickzeug dabei. Alle lieben diese Treffen, die Kinder ebenso wie die Mütter und sind bestrebt, wenn es das Wetter zulässt, gleich morgens dort zu sein.
Im Sandkasten herrscht nicht immer Einigkeit, aber ... das regelt sich oft von selbst. Wenn nicht, wird es - von den Müttern sanft gelenkt.

Gegen elf Uhr geht es immer heim, dann bekommt Susi ihr Mittagessen, um anschließend zu schlafen. Das ist die Zeit, in der Mutti die Hausarbeit erledigt, so wie eben. Nur war Susi dieses Mal erwacht und ging auf Entdeckungsreise.

Erleichtert schaut Mutter nun die Frau an und gemeinsam gehen sie zu den Kindern, die sich prächtig verstehen. Eben beugen sie sich mich hochroten Backen über ein Bilderbuch und jede will ihr Wissen los werden, was schmunzeln lässt. Die beiden Frauen beschließen, sich nachmittags öfters zu treffen und die Kinder – beide noch ohne Geschwister – die Gemeinsamkeit ausleben zu lassen.

Dann schnappt Mutter ihre protestierende Tochter und ab geht’s nach Hause. Dort versucht sie, diesem zweijährigen Kind zu erklären, dass Mutti immer wissen muss, wo sie ist. Natürlich vermutet sie, dass ihre Worte nicht angekommen sind und beschließt, besser aufzupassen. In Zukunft wird sie die Wohnungstüre verschließen und den Schlüssel einstecken.
Heidi
Gotti

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