Ein Mädchentraum

Es war einmal ein Mädchen, das wohnte mit seinen Eltern am Rande einer kleinen Stadt. In der Nähe befand sich ein prächtiges Gebäude. Es musste sich um ein Schloss handeln, denn zwei Türme ragten vom Hauptbau aus in den Himmel und ein runder steinerner Torbogen führte in den Innenhof. Oft stand das kleine Mädchen dort auf der breiten bemoosten Freitreppe aus Marmor. Es war sich ganz sicher, eine Prinzessin zu sein. Immer wieder schritt das Kind in hellen weichen Seidenschühchen diese Treppe zum verzierten Portal empor und wieder hinab. Das Kleidchen aus rosa Satin reichte bis zum Boden und über einem durchsichtigen roséfarbenen Unterkleid bauschte sich der Rock. Schneeweiße Spitzen am Ausschnitt, den Puffärmelchen und vor allem am unteren Rand des Gewandes waren zu Rüschen und Rosen gebunden. Das Haar glänzte schwarz wie Ebenholz, die Diamanten im kleinen Krönchen funkelten und die dunklen Augen blitzten.
Geduldig wartete die Königstochter auf ihren Prinzen, den Kopf lauschend geneigt.
War da nicht Pferdegetrappel in der Ferne?

Lustwandeln im Park, zwischen betörend duftenden Fliederbüschen gehörte zur Lieblingsbeschäftigung der Prinzessin. Noch lieber aber saß sie unter den Magnolienbäumen. Die Blüten im zarten Rosa glichen dem Kleid der Prinzessin. Wenn dann die Blütenblätter im leichten Frühlingswind zu Boden fielen, stand die Königstochter im süß riechenden „rosa Regen“ und klatschte begeistert in die Hände.
Inmitten dieses Blütenregens regte sich der Wunsch, später im Leben solch einen Baum zu besitzen.

Da das Mädchen aber keine Prinzessin war, ging dieser Traum nie in Erfüllung, bis … ja bis … sie eines Tages – nun bereits Großmutter - zwei Bücher über ihr Leben schrieb. Eine Freundin las dort vom Herzenswunsch der Autorin und als sich die Frauen auf der Buchmesse trafen, stand auf einmal ein riesiger Blumentopf dort, dessen Inhalt nur darauf wartete eingepflanzt zu werden.
Das Herz der Beschenkten hüpfte voller Freude und daheim im kleinen Gärtchen wurde Platz geschaffen für diese Kostbarkeit.

Nun, zwei Jahre danach, trägt der noch kleine Busch zwei hellrosa, leicht duftende Blüten, die zerbrechlich und zart wie Porzellan aussehen. Sie öffnen sich mit der Sonne und schließen sich abends.
Es sind die Zeugnisse einer schönen Freundschaft und sie werden sich von Jahr zu Jahr vermehren, wie auch die Zuneigung wachsen wird. Wie kann es anders sein, bei Menschen, deren Herzen im Gleichklang schlagen.

Danke liebe Steffi!

Heidi Gotti


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