Blümchen "Rühr-mich-nicht-an"

Wir schreiben das Jahr 1925. Die zehnjährige Stefanie ist ein aufgewecktes Kind. Blond und blauäugig präsentiert sie sich als echtes "Wiener Madl". Lebt sie doch auch in dieser wunderschönen Stadt mit ihrer Mutter zusammen. Durch Ausflüge ist Steffi die Umgebung von Wien vertraut, ebenso wie der Prater. Trotz der damals harten und entbehrungsreichen Zeit, unternimmt ihre Mutter mit ihr viele Fahrten in und um Wien, sowie es ihre Zeit erlaubt.

Heute geht es in den "Botanischen Garten". Staunend betrachten die Beiden die Pflanzenvielfalt. Hautnah, zum Anfassen, präsentieren sich die Gewächse. Alle beschildert! Eine Menge erfährt man über Herkunft, Wachstum, Blüte, Pflege und Überwinterung der einzelnen Pflanzen. Herrliche Blüten in allen Farben entzücken das Auge. Ein betörender Duft liegt in der Luft.

Von Pflanze zu Pflanze und Schild zu Schild führt der Weg durch die Pflanzenhäuser. Aber hier ist es anders! Eine zusätzliche Tafel:

"Bitte rühr mich nicht an!",

erweckt das Interesse der zahlreichen Besucher. Natürlich ist die Neugier eines kleinen Mädchens viel zu groß. Das ‚Warum' ist übermächtig. Noch sind zu viele Menschen in der Nähe, also erst einmal weiter, es gibt ja noch so viel zu entdecken.

Trotzdem... diese Tafel geht Mutter und Tochter nicht aus dem Kopf. Also wieder zurück. Ein prüfender Blick! Es ist niemand in der Nähe. Vorsichtig berührt Steffi ein Blatt. Nichts! Warum also diese Tafel? Vielleicht noch einmal? Auch die Mutter muss es versuchen!

Auf einmal lässt die Pflanze alle Blätter hängen. Erschrocken und entsetzt machen sich die Beiden aus dem Staub. Vorher noch schnell ein prüfender Blick: Hat's auch niemand bemerkt?

Natürlich lässt es der Mutter keine Ruhe und sie müssen noch einmal nachschauen. Immer noch hängen die Blätter schlaff herunter. Panikartig wird der Botanische Garten verlassen.

Zu Hause sprechen die Beiden unentwegt von der Pflanze und es lässt ihnen keine Ruhe. Eine Woche später also der erneute Versuch, Licht in das Dunkel zu bringen.

Wahrscheinlich musste die Pflanze, da ja kaputt, entfernt werden. Ein vorsichtiger Blick und... sprachlos stehen Mutter und Tochter im Pflanzenhaus. Das Gewächs steht da, als ob nichts gewesen wäre. Richtig schadenfreudig! Ein erleichtertes Aufatmen!

Das ist ein Erlebnis meiner Oma und Mutti.

Sehr viel später erst löste sich das Geheimnis auf.
Es handelte sich um eine Mimose, die als sehr empfindlich gilt.
Heidi Gotti

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