Ein verflixter Tag

Es ist früh am Morgen und dein Wecker reißt dich aus deinem schönsten Traum. Ein benommener Blick zum Fenster ... draußen ist es noch ganz dunkel. Müde beschließt du, noch eine Weile liegen zu bleiben. Im Fünfminutentakt erinnert dich der Radiowecker, dass die Zeit vergeht. Beim dritten Mal, steigst du völlig entnervt aus der Kiste.

Im Badezimmer blickt dir aus dem Spiegel ein völlig zerknittertes Gesicht entgegen. Na prima! Da es eilt, reicht die Zeit nur noch zu einer Katzenwäsche. Der inzwischen aufgesetzte Kaffee ist fertig, aber er schmeckt nicht, die Filtertüte ist wieder einmal gerissen. Mit dem ekelerregenden Kaffeesatz im Mund gehst du schnell noch einmal Zähneputzen.

Das Anziehen will heute auch nicht so richtig klappen, du erwischt zwei verschiedenfarbige Socken, dann reißt auch noch das Gummi der Unterhose. In die Ecke schmeißen und eine neue muss her. Beim Anziehen der Windjacke verabschiedet sich der oberste Knopf. Ja, er wäre schon lange fällig gewesen, war schon tagelang locker.

Fast hättest du den Schlüssel in der Wohnung liegen gelassen. Natürlich ist das Auto vereist und die Türen zugefroren. Also dauert es seine Zeit, bis du es befreit hast und endlich drin sitzt. Die Zündung gibt leise abartige Laute von sich und ... der Motor will einfach nicht anspringen. Wutentbrannt wirfst du die Autotür zu, dabei lässt du den linken Daumen aus Versehen im Türspalt stecken. Ein Schmerz durchfährt den gesamten Arm und du entschließt dich als Schmerztherapie zu einem Indianertanz. So wurde dir wenigstens warm.

Fahrrad geht heute nicht, also wird gelaufen. Vorher noch einmal ins Haus und warme Winterstiefel anziehen. So, nun geht's los. Du wohnst wohl sehr weit außerhalb, aber zum Glück geht es ziemlich steil den Berg hinunter in die nächste größere Ortschaft. Leises Unbehagen macht sich breit, bei dem Gedanken an das Heimkommen. Nun ist die Bushaltestelle erreicht, aber vom Bus siehst du gerade noch die Schlussleuchten. Also warten! Fußstampfend und armeschlagend versuchst du warm zu bleiben.

Nach langen zehn Minuten ist der nächste Bus da. Geschafft, du bist in der Stadt und nach einer Viertelstunde betrittst du deine Arbeitsstelle. Die Sekretärin des Chefs winkt dir bedeutungsvoll zu. Du sollst sofort zum Chef kommen. Böses ahnend klopfst du an seine Tür und auf sein barsches "Herein" betrittst du das Heiligtum. Warum ich schon wieder zu spät komme?, ist die antwortheischende Frage. Das mit dem "Das Auto ist nicht angesprungen" wird dir sowieso nicht geglaubt werden. Also wäre es sinnvoller eine völlig sinnlose Geschichte zu erfinden. Während du noch am Überlegen bist, was du dem Chef auftischen könntest, wirst du angeschnauzt, an deinen Arbeitsplatz zu gehen.

Der erste Telefonanruf ist auch nicht aufbauend, es ist eine Beschwerde. Nach dreimaligem Durchatmen legst du den Hörer schnell auf. Eine Kollegin betritt dein Zimmer und hält dir ein Schreiben unter die Nase, das du verbockt hast. Jetzt nur nicht ausflippen, sonst geht es durch den gesamten Betrieb. Erzwungen freundlich lächelnd entschuldigst du dich, dabei mit den Zähnen knirschend.

Die Mittagspause verbringst du im Büro, hast deinen Geldbeutel zu Hause vergessen und somit ist heute das Mittagessen gestrichen. Am Nachmittag bringt dir ein Kollege mehrere Ordner vorbei, mit einem schönen Gruß vom Chef, das müsse heute noch erledigt werden. Das ist also die Rache des kleinen Mannes, denkst du noch und kämpfst gegen einen Wutanfall. Somit kannst du deinen Kollegen nicht bitten, dich nach Hause zu fahren und es steht dir eine längere Winterwanderung bevor. Den steilen Berg, den du am Morgen leichtfüßig ins Tal marschiert bist, wirst du nun am Abend nicht so freudig hochsteigen.

 Aber da alles nichts hilft, nimmst du dir die Arbeit vor, die dir der Chef aufgeladen hat. Einen Ordner nach dem anderen. Als letzter verlässt du das Büro und erwischt gerade noch den letzten Bus in dein verdammtes Kaff. Sollst du dem Impuls folgen, in der nächsten Wirtschaft verschwinden und dir auf Pump ein paar hinter die Binde gießen? Unschlüssig stehst du an der Bushaltestelle und entschließt dich doch, heimzugehen.

Nach einer guten Stunde Fußwanderung durch den tiefen Schnee, siehst du die ersten Häuser. Fast hättest du dich noch verirrt. Hattest die gute Idee, durch den Wald zu gehen. Sei kürzer wurde dir einmal erklärt. Im Sommer vielleicht ... denkst du noch. Aber nun ist es gleich geschafft. Auf der Treppe vor der Haustüre rutscht du natürlich aus und schlitterst die fünf Stufen noch einmal hinunter.

Kaum hast du aufgeschlossen, erschreckt dich so ein merkwürdiger Geruch. Die Katze!!! Fährt es dir heiß in die Glieder. Du hast Moritz vergessen, morgens aus dem Haus zu lassen. Dieser verdammte Kater ist immer so faul, dass er gebeten werden muss und heute Morgen war dazu keine Zeit mehr. Gaaaanz vorsichtig betrittst du das Haus, jeden Schritt sorgfältig prüfend. Bei der Türe jeden Zimmers knipst du schnell das Licht an, um ja nicht in diese stinkende Katzenkacke zu treten. Ein Aufatmen! Moritz hat sich die Küche ausgesucht und dort ist der Boden gekachelt. Mit einer alten Zeitung beseitigst du den größten Teil, dir dabei die Nase zuhaltend. Aber es hilft nichts, es bringt auch nichts mehr, dass du das Fenster weit öffnest. Es ist zu spät, es reckt dich zweimal und beim dritten Mal hast du zum Glück das WC erreicht und umarmst die Schüssel. Wow, eigentlich hattest du ganz schön viel im Magen. Erstaunlich, da du doch nichts gegessen hast den ganzen Tag. Nachdem du den Rest der Kacke aufgeputzt hast, brauchst du auch nichts mehr zum Essen. Das war doch ein sparsamer Tag, denkst du noch ironisch.

Mit einer Flasche Wein und einer Tüte Chips ziehst du dich ins Wohnzimmer zurück und schaltest die Glotze an. Was du siehst, muntert nicht auf. Gut, dass es so viele Kanäle gibt. Trotzdem bist du stinkig. Entweder fließt jede Menge Blut oder Einige treiben es im Bett. Jetzt hast du was Interessantes gefunden, nach ein paar Minuten entdeckst du, dass es sich um eine Wiederholung handelt. Nachdem du eine halbe Stunde sinnlos auf der Fernbedienung rumgehauen und dich dazwischen über die Werbung geärgert hast, ist es dir egal, was gezeigt wird. Der Wein erfüllt dich mit einer warmen Seligkeit. Du schaffst es gerade noch, die Decke über dich zu breiten und schon bist du auf der Couch eingeschlafen.

Herrliche Träume hüllen dich ein und als du aufwachst ... ist es draußen schon hell. Nicht einmal das Telefon hast du gehört, dein erboster Chef hat dir auf den AB gesprochen, dass du nicht mehr erscheinen musst.

Jetzt überlege ganz genau, hast du es nur geträumt oder ... ?

Heidi Gotti

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