Albtraum im Dschungel der Stadt

Der Ausflug hatte so schön begonnen. Gleich morgens waren die Großeltern mit ihrer Tochter und den drei kleinen Enkelkindern los gefahren. Das Ziel der Reise lag ungefähr vier Stunden entfernt und man wollte unterwegs rasten, um sich die Beine zu vertreten.

Es war ein schöner Tag, der ziemlich heiß zu werden versprach.

Mittags war man in Schaffhausen. Auf dem großen Parkplatz beim Wasserfall wurde erst einmal für das leibliche Wohl gesorgt. Die Mutter hatte Brötchen dabei, die mit gerauchter Wurst belegt waren. Nach einem großen Schluck Mineralwasser, wurde das Auto verschlossen und es ging zum Rheinfall.

Ängstlich drückten sich die Kinder an die Erwachsenen. Vor allen Dingen dem Jüngsten – mit seinen vier Jahren – war das Getose nicht geheuer. Beim Blick von der Aussichtsplattform sah man das Wasser wirbeln und schäumen. Es explodierte förmlich und man hörte sein eigenes Wort nicht mehr. Richtig bedrückend! Weiße Gischt stieg hoch und drohte diesen Platz zu verschlingen, der dort ein Stück in den Fluss und den Wasserfall hineingebaut worden war. Die Tochter mit ihren neun Jahren war schon mutiger und bereit, mit ihrem Opa in einem Boot durch dieses Brodeln zu fahren, direkt zu den fallenden Wassern. Besorgt betrachtete die restliche Familie, wie dieses kleine Wasserfahrzeug von der Naturgewalt hin und her geworfen wurde. Wie eine Nussschale machte sich das winzige Ding aus. Nach viel zu langen bangen Augenblicken befand sich das hölzerne Boot endlich wieder in ruhigeren Gefilden. Nun konnte man auch die Menschen darin erkennen, die den Zuschauern zuwinkten. Sie schrieen und riefen irgendetwas, das man aber wegen des Krachs nicht hören konnte. Ein Kentern hätte sich gelohnt, denn vollbesetzt hatte der „Kapitän“ die Reise angetreten.

Das Schlappermäulchen des Mädchens fing sofort mit der Erzählung an, als sie von dieser Fahrt zurückkam. Es war äußerst cool und geil, was die Großeltern mit dem Kopf schütteln ließ, da sie sich mit diesen neuen Ausdrücken immer noch nicht anfreunden konnten. Nass vom Wassernebel beschloss die Familie, den Rückweg zum Auto anzutreten. Der Planet brannte heiß vom Himmel und nach einem erneuten Schluck aus der Sprudelflasche, dem Lüften des Autos, stieg man ein und suchte die Innenstadt auf.

Nach einer endlosen Kurverei … endlich ein Stellplatz. Die Parkuhr wurde mit genügend Groschen gefüttert, für den Kleinen das zusammengeklappte Wägelchen aus dem Kofferraum entladen und dann ging es hoch zur Burg. Noch marschierten die drei Kinder fleißig vornweg. Die Schwester ihre Brüder an den Händen, wobei der größere mit seinen sechs Jahren der ruhigere der Geschwister war und es somit immer bedächtiger angehen ließ.
Nach einer Weile waren die Drei außer Sichtweite. Den besorgten Erwachsenen zeigten sich kurz darauf oben bei der Burgmauer zwei Blondköpfe und ein schwarzer.
Der Rundgang dort fiel äußerst kurz aus und man setzte sich bald in den Schatten. Es war viel zu heiß und somit wurde beschlossen, den Rückweg anzutreten.

Unten in dem Städtchen tauchte die Frage auf: Wo steht das Auto?
Das erste enge voll geparkte Sträßchen war erfolglos durchsucht worden. Der heiße Asphalt strahlte den Fußgängern entgegen. Die aneinander gebauten Häuser schienen ins Unendliche zu wachsen und schauten bedrohlich auf die Familie herunter. Das Stimmengewirr der unzähligen Menschen schwoll zu einem einzigen Gekreische an, als ob Tausende von Zugvögeln oder Möwen ihren Spektakel treiben würden. Lautes Hupen der vielen Fahrzeuge verwandelte sich in das Trompeten einer riesigen Elefantenherde und das Brüllen wilder Löwen. Richtig unheimlich.

Ein orangeroter VW-Variant kann doch nicht einfach spurlos verschwinden?
Auch ein zweiter Versuch in einem weiteren Gässchen brachte keinen Erfolg.
Das forsche Vornweglaufen der Kinder war vorbei, sie schleppten sich nun hinterher. Bald saß der kleinste der Buben in seinem Wägelchen und alle drei Kinder verkündeten, dass sie Hunger und Durst hätten. Den Erwachsenen ging es ebenso. Was nun?

Man setzte den Opa mit seinen drei Enkeln in eine Gartenwirtschaft und die beiden Frauen machten sich auf den Weg und … sie wurden fündig. Nicht sofort – aber sie schafften es. Dieses Mal waren sie schlauer und hatten sich bestimmte Punkte am Weg gemerkt, um ihn auch wieder zurück bewältigen zu können. Nach einer gemeinsamen Stärkung in diesem Lokal wurde die Heimfahrt angetreten.

Noch nächtelang verfolgten die junge Frau Albträume. Sie irrte durch nie endende Straßen, begleitet durch Geräusche einer nicht definierbaren Tierherde, auf der Suche nach ihrem verlorenen Fahrzeug und wachte nach erfolglosem Tun schweißgebadet auf.
Heidi
Gotti

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