Das Schneeglöckchen

Klein und zart duckt es sich in den Schnee, das kleine Glöckchen. Vorwitzig und lebensfreudig hatte es sich der Sonne entgegen gestreckt. Beim Schaukeln des Blütenkelches vermeint man ein zartes Klingen zu vernehmen. In unmittelbarer Nachbarschaft Tausende dieser Schneeglöckchen. Immer mutiger wurden sie, als wollte eins das andere übertreffen. Die Sonne spornte zum Blühen an und der leichte Wind trug den zarten Duft in die Ferne. Die Freude am Sein zeigte sich beim Keimen, Knospen und Blühen. Unzählige Besucher wurden angelockt. Bienen, Hummeln und Wespen. Das war ein Brummen und Summen. Bereitwillig öffneten sich die Blütenkelche, um die Insekten willkommen zu heißen.

Aber ... plötzlich über Nacht hatte es geschneit und war sehr kalt geworden.
Und nun duckt sich die zarte Blüte in den Schnee. Alle anderen Leidensgenossen sind fest zugedeckt unter der schützenden Decke. Das Schneeglöckchen schaut sich um, nichts als dieses kalte Weiß, so weit es blicken kann. Enttäuscht und entmutigt fällt sein Köpfchen in sich zusammen und sucht Schutz zwischen den länglichen, grasähnlichen Blättern der Pflanze. Eigentlich ist die Natur dieser Blumen auf die Kälte eingestellt und so wird, ja muss es überleben. Wenn da nicht dieser große Hund wäre, der unachtsam durch den Garten trabt. Es ist nur ein einziger Tritt der rechten Vorderpfote und ... mit einem leisen Seufzer, der nur von Pflanzen gehört werden kann, stirbt die kleine Blüte, eine letzte Träne weinend.

Heidi Gotti

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