Eine schöne Bescherung

Mutti und der Weihnachtsbaum

Es war Heiliger Abend und Helene war alleine mit ihren beiden Kindern.
Der Haushaltsvorstand hatte es wieder einmal nicht geschafft, saß beruflich im Ausland fest, hatte die Mutter telefonisch erfahren.
Am liebsten hätte sie dieses Fest ausfallen lassen und sich heulend ins Bett verzogen. Wenn, ja wenn da nicht zwei kleine Kinder gewesen wären, die auf das Christkind warteten. Außerdem war nun auch der Trotz in ihr erwacht. Also schnell aus dem Keller den Baumständer geholt. Wer erinnert sich nicht an die damaligen Eisenständer, grün bemalt? Außen ein Kranz mit durchbrochenem Geflecht, innen die Ausbuchtung für den Stamm des Baumes.
Nun musste noch der Baum durchs Treppenhaus in die Wohnung geschleppt werden. Die Kinder spielten bei Freunden und Lena, wie man die junge Frau auch noch nannte, war allein.
‚Ist auch besser', dachte sie, ‚die brauchen nicht alles mitzubekommen.'
Den Christbaum hatte ein Mann gekauft, der genau weiß, wie man den Stamm zuschneiden muss und kann. Der aber auch die Kraft dazu hat.
Helene jedoch war schwanger und sowieso nicht mehr so beweglich.
Sie bemerkte sofort, dass sie den Baum so nicht in den Ständer bringen würde. Über das Wie wusste sie Bescheid, aber … nach mehrmaligen verzweifelten Versuchen, den Stamm unten mit der Axt zu verengen, gab sie auf.
‚Was mach ich nur?', fragte sie sich.
Schreien hätte sie können vor Zorn und Enttäuschung.
Der Geistesblitz ‚ein scharfes Messer' und damit ging es tatsächlich. Aber es war Schwerarbeit und sehr gefährlich.
Die Küche glich hinterher einem Schlachtfeld, doch der Baumstamm passte nun in den Ständer. Nun noch diese scharfkantigen Flügelschrauben eindrehen. War gar nicht so einfach und sie bewerkstelligte es nur mit Hilfe eines Löffelstiels, den sie in die Löcher der Schraubengriffe steckte.
“Geschafft“, jubelte Helene.
Der Baum wurde samt Ständer ins Wohnzimmer geschleppt, wo bereits der Schmuck wartete. Aber zuerst die Küche aufräumen. Sogar der Steinboden musste aufgewaschen werden von dem klebrigen Holz.
Lenas Hände waren voller Harz, mit Handcreme bekam sie es ab.
Nun ging's ans Christbaumschmücken.
Sehr zufrieden war sie am Schluss mit ihrem Werk. Draußen war es schon dunkel, bemerkte sie, als sie die elektrischen Kerzen ausprobierte.
Ein Gefühl der Zufriedenheit bemächtigte sich der Mutter.
Schnell die Tür zu und nun kamen die Kinder in die Wohnung gestürmt.
Auf die Frage: "War das Christkind schon da?", konnte die Mutti beruhigt mit einem „Ja“ antworten.
Sie schickte ihren Nachwuchs ins Bad zum Händewaschen und dann ins Kinderzimmer. Die Tür verschloss sie, nachdem sie den Kindern eingeschärft hatte, sie dürften nicht lauschen und auch nicht neugierig ‚gucken', sonst würde das Christkind die Geschenke sofort wieder mitnehmen.
Nun legte Helene in Ruhe die Präsente unter den Baum.
Voller Stolz betrachtete sie anschließend die schöne Weihnachtsecke.
Nach dem Abendessen sollte Bescherung sein.
"Wo ist Papa?", fragte die zehnjährige Tochter.
Bei Lenas Antwort: "Ich weiß es nicht", wurde sie von traurigen Kinderaugen angeblickt.
"Es ist doch Heiliger Abend", meinte das Mädchen noch und der sechsjährige Bruder verzog weinerlich das Gesicht.
"Ich weiß", entfuhr es der Mutter enttäuscht.
"Er wird kommen, sobald er kann", beruhigte sie die Kinder, obwohl sie selbst nicht mehr daran glaubte. Zu oft war Helene schon enttäuscht worden.
Die freudigen Gesichter bei der Bescherung entschädigten die Mutter für das traurige Gefühl und die Arbeit, die sie gehabt hatte.
Plötzlich … mitten im Singen, o Schreck ... begann der Baum sich langsam zu neigen. Der Schock verschlug allen Dreien die Sprache.
Mit einem Sprung war Lena beim Baum und packte ihn am Stamm. Aber kaum ließ sie los, begann er wieder zur Seite zu sinken. Das Töchterchen musste ihn nun festhalten und der Bruder starrte mit entsetzten Augen auf das Geschehen.
Helene rannte zum Werkzeugkasten, Söhnchen hinterher.
Mit ein paar Nägeln und einem Hammer, war Mutter in der Küche verschwunden, um aus der Kramschublade eine Schnur zu holen.
"Schaut mal, so müsste es passen, oder?", fragte sie anschließend ihre Kinder.
Ein zweifaches "Ja", scholl ihr entgegen, worauf sie einen Nagel in die Wand schlug und das Ende der Schnur dort fest band. Da sie dem allein nicht traute, wurde der Baum mit demselben Verfahren an der anderen Wand genau so befestigt.
Dann feierten die Drei Weihnachten und es wurde noch ein schönes Fest.

Heidi Gotti

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